Delhi und mehr

Mit unserer zweistündigen Fahrt durch die Randbezirke haben wir Delhi nur angekratzt und doch, was für eine Stadt. Gestern saßen wir noch im Rambagh Palace, heute erscheint er mir wie ein unwirklicher Traum. War das gestern auch Indien? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall hat Indien mich wieder in seine Realität geholt: Laut, knallend, so schonungslos und auch so abstumpfend. Dreck, ich kann ihn nicht einfach schönreden, in einem Ausmaß, der einfach unvorstellbar ist. Die vermeintliche Armut? Rührt sie mich? Ich frage mich: Warum gehen Armut und Dreck Hand in Hand? Bevor ich überhaupt Mitleid verspüre, sehe ich vor allen Dingen Männer, keine altgebrechlichen, sich auf Pritschen rekeln und sonnen, vor Hütten so zusammengeschustert, dass sie den nächsten Regen mit Sicherheit nicht überstehen werden. Kinder, die sich balgen um an die Autoscheiben zu klopfen und ihre Hand an den Mund zu führen. Mache ich eine Handbewegung zu meiner Tasche, kommen sie in Scharen angestürmt. Zehn Rupien reichen nicht, dann schütteln sie bloss den Kopf und fordern mehr. Ich guck nicht mehr hin, mag klopfen wer will. Überall um Delhi herum wird gebaut, besonders Schnellstraßen um weiterzukommen. Frauen haben im Straßenbau den wichtigsten Anteil. Ohne sie wären die Baustellen leer. Die fünfstündige Autofahrt nach Agra fordert alles von mir. Mein Entsetzen über den Dreck, das Unverständnis über das Rumlungern, nicht wegschauen, mir meinen Ekel, der immer wieder einmal hochsteigt eingestehen, alles wahrnehmen und versuchen, alles, wie es ist, stehenzulassen. Das ist halt Indien. Als die Gedanken anfangen zu fragen: War das schon immer so? Auch zur Zeit der Veden? Da lief ein Dialog in mir ab: Wenn du einen Menschen mit einer schrundigen Haut siehst, verurteilst du ihn dann? Ich ekel mich davor, war meine Antwort. Schau unter die Haut, was siehst du dann? Blutiges Fleisch – auch schrecklich. Wenn du tiefer schaust, was kommt dann? Dann kommt irgendwann nichts mehr. Siehst du, Indien wird von dem, was auf der Oberfläche vor sich geht, nicht einmal berührt! Krishnas Stadt – aussteigen, den Tempel sehen, spüren und nichts wie weg. Ossis Kommentar: Hier rockt der Papst im Kettenhemd. Könnt ihr euch den Papst rockend vorstellen? Im Kettenhemd? Er ist ja nicht nur Papst, er ist ja zudem noch ein deutscher Papst. Vielleicht wäre ein Büßerhemd das bessere Gewand. Ach, ich vergaß, da passen keine Goldlitzen zu, keine Tiara, die noch größer erscheinen lässt und auch kein Juwelenkussring – oh Krishna – muss denn der Dreck sein?