Übermorgen beginnt der letzte Teil unserer Reise. Thailand und Indien liegen dann hinter uns. Von TIN liegt nun nur noch das N vor uns. Wie schnell die Zeit vergangen ist. Wie schön es bisher war. Voll mit Erfahrungen. Voll mit Eindrücken, mit Bildern. Voll auch mit vielen Begegnungen. Mit Einladungen nach Australien, nach Mexiko. Hier im Haus waren wir mit Holländern zusammen. Sie kennen diese Gegend seit Jahren und haben uns voll Freude mit ihren Erfahrungen bereichert. Durch sie haben wir in kurzer Zeit viel gesehen, viel erlebt. Heute wollte ich mich von Narvada Puri, von Mataji, verabschieden. Sie war am Ganges. Ein Gurubruder ist gegangen. In dieser begehrten Zeit, während der Kumbh. Und dann noch hier in Haridwar, dem Tor zum Himmel. Dann ist das Herausströmen ober aus dem Scheitelpunkt so einfach und leicht, wie sonst nie.
So werde ich abreisen, ohne sie zu sehen und zu umarmen. Diese besondere Frau werde ich in meinem Herzen haben, wo ich auch bin. Sie berührt mich so tief. Ich habe ihr Buch „tears of bliss“ gelesen. Ihr Leben bewegt mich sehr. Sie sieht nach einer Zeit des Wanderns durch Indien und Nepal auf einer Gangesinsel einen nackten, mit Asche bestreuten Fakir, fällt ihm zu Füßen und kann ihn nicht mehr verlassen. Sie will das Gleiche wie er: Loslösung von allem Denken, von aller Dualität, Einswerdung mit dem eigentlichen SEIN, mit der wahren Natur. Ohne Erbarmen zertrümmert er über Jahre hinweg die Egonatur, bei sich, bei ihr. Zehn Jahre lang ist ihr einziges Denken: Shiva. Ihre einzigen Worte: Om Namah Shivaja. Sie leben von fast nichts. Ein Tuch hat sie als Bekleidung, als Decke. Die Wintermonate sind kalt hier. Sie leben auf der Gangainsel im Dschungel. Kühe sind ihre Begleiter, manchmal Gesetzlose, die hier eine Zuflucht suchen. Alles ist Gott. Alles ist Shiva. Hunger ist Shiva. Frieren ist Shiva. Freude ist Shiva. Alles ist er, der hinter allem ist. Shiva, Shiva. Ihr Guruji ist Shiva und Shiva ist ihr Guruji. Kann sie überhaupt leben ohne ihn, der ihr Leben ist? Nach ungefähr zehn Jahren kommt ihre Schwester aus Deutschland. Sieht sie, die nicht mehr zu sprechen weiß. Dann beginnt das „Spiel“. Er, der nichts wollte, der nichts sein wollte, will sie heiraten. Sie bekommen drei Kinder, er als Fakir, als Asket und sie die nur in die Einheit wollte wird Mutter und nichts ist da zum Unterhalt der Familie – Shiva, die Ganga werden für uns und die Kinder sorgen. Schuhe für den Schulgang? Wozu sind Schuhe wichtig? Und doch kommen von irgend woher Schuhe. Er, ihr Guruji, ist ihr Meister, ihr Gott, Ihr Herz. Wenn ich sie anschaue – sie ist ganz Herz. Sie ist so offen, so hinter aller Personalität
India – hier in deinem Schoß ist so etwas möglich, in seiner ganzen Härte und Schonungslosigkeit. Mataji sieht so schön aus, so herzergreifend – aber um welchen Preis?
India – viel werde ich von dir mitnehmen? Wie viel von dir wird bleiben?