Die einen sagen: Eines der schönsten Städtchen der Welt, die anderen sehen nur die Rückständigkeit des Ortes. Wenn ich den deutschen Maßstab anlege und eventuell auch noch Elektriker bin, dann falle ich von einem Herzanfall in den nächsten oder werde komplett ver-rückt. Ungefähr sechzigtausend Menschen wohnen hier, die meisten sind Bauern und Kunsthandwerker. Die typischen Holzfenster und Türen und natürlich viele andere Schnitzereien werden hier hergestellt. Das Töpferviertel mit seinen großen Vorratshaufen Bergton, den vielen Töpferhütten, den zum Trocknen ausgestellten Gefäßen, den traditionellen Malschulen, den alten Frauen, die da sitzen und Flachs oder Baumwolle spinnen – es ist eine Stadt voller Leben. Dann der Square: Hier regierte eine König, der drei Söhne hatte. Er schenkte jedem seiner söhne eine Stadt: Patan, Kathmandu und eben Bhaktapur. Jeder der Söhne hatte den Ehrgeiz (what a word: Ehre und Geiz, ehrenhafter Geiz) einen überragenden königlichen Platz zu bauen: Die sogenannten Durbar Squares. Hier stehen die Paläste, die Tempel, die Pagoden. Hier in Bhaktapur steht die höchste Pagode Nepals. Fünfstöckig ist dieser Tempel und dreiunddreißig Meter hoch. Als ich den ersten Schritt auf den Platz tue, wankt der Boden unter mir und ich habe einen Gang wie ein betrunkener Seemann. Der Boden wankt gar nicht. Was ist los? Mein Herz ist voll mit Tränen. Santosh möchte mir einen der Tempel von Innen zeigen. No. Ich hab genug. Ich wi ll nicht. Mir reichts. Ich klapp sonst zusammen. So wanke ich über den Platz. Peter ist mit uns gefahren und führt uns zu seinem bevorzugten Hotel: Bhadgaon Guest House. Wir sitzen hoch über dem Platz. Ich beschreibe auf sein Fragen, warum ich nicht in den Tempel wollte, meinen seltsamen Zustand. Der Vishnu-Tempel von gestern schwingt noch in meinen Knochen. Da lacht erherzlich: Kein Wunder, der Tempel ist höchstens fünf Kilometer von hier entfernt und strahlt herunter auf die Stadt. Na so was. Dann erzählt er dass 1934 das große Erdbeben die Stadt zum größten Teil zerstört habe. Deutsche Fachleute haben unter großem Einsatz die historischen Gebäude in wunderbar liebevollster Weise wieder hergestellt. Ein Dank an die „Deutsche Gründlichkeit“. Wir wollen um „Goldenen Tor“ und zum Palast der fünfundfünfzig Fenster. Mitten auf dem Platz haut es mich um – wortwörtlich. Eine Glocke geht los und ich gehe ab, zu Peters heller Freude. Wie könnte es auch anders sein: Die Glocke ist vom Vishnu-Tempel. Vishnu, Ganesh und wie ihr alle heißt: Ich habe genug. Das „Weg-Sein“ von gestern hat mein Körper noch nicht überwunden. Ich bin noch immer in diesem seltsam unbeschreiblichen Zustand – wie soll ich auch etwas beschreiben, an das es keine Erinnerung gibt? Das Goldene Tor: So feine und kunstvolle Metallarbeit! Wir gehen durch und sind im Außenhof des Taleju-Tempels, der Älter ist als die im fünfzehnten Jahrhundert erbaute Palastanlage. Bewaffnete Militärpolizisten verbieten das Fotographieren. Ich beuge mich im Eigang nieder und verschwinde schnell im nächsten Hof. Hier in Nepal fall ich vom Regen in die Traufe. Die königliche Badanlage: Ungefähr zehn Meter im Quadrat?, bewacht vo zwei riesigen Kobras. Und auch hier ringelt sich eine dicke Steinschlange. Ich rutsche brüllend an der Wand runter – o Gott, o Gott, ich bin so fertig!
Später erzählt Santosh mir: Die Schlangen sind die Beschützer, die Wärter. Das freut mich sehr. Das gibt mir soviel Aufschluss. Zurück zum Vajra-Hotel. Sie schleppen mich ins Zimmer und aufs Bett. Da liege ich mit sooo heftiger Migräne, wie schon lange nicht mehr.
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