Om's Hotel in Jomsom

Ossi und Lakpa gehen vor um ein Hotel zu buchen. Ossi hat die Schnauze gestrichen voll vom letzten in Muktinath. Der Weg vom Parkplatz zieht sich sooo lang. Jeder Schritt kostet mich Kraft, die ich im Moment nicht habe. Dieses Land macht etwas ganz Entscheidendes mit mir. Es verlangt Ehrlichkeit oder was ist das sonst, zu sagen: Ich muss mich setzen? Der Körper hat zu tun was ich will, danach wollte ich immer leben – und jetzt? So gehen Santosh und ich sitzender Weise in den Ort hinein. Das Hotel, weiß, sauber, heißt auch noch OM’s Hotel. Die Wirtin fasst mich unter. Sie hat schon Übung mit den aus Muktinath Angestolpertkommenden. Sie zieht mir die Schuhe aus, steckt mich ins Bett, Wärmflasche, Knoblauchsuppe, Augen zu und Ruhe. Ich wäre gern noch einen Tag hier aber Santosh greift durch. Er hat ein ernstes Gespräch mit mir. Mit der Höhe ist nicht zu spaßen und wenn ich immer sage: Alles ok, wie kann er wissen, was mit mir los ist?Wir sind hier in Jomsom immer noch auf 2700 Meter und das ist zu hoch für mich, da Atemnot nicht zu überhören ist und immer noch Schwindel da ist. So ordert er für den nächsten morgen einen Jeep bis Ghasa. An Marpha mit seinen Apfelbaumplantagen, seinen Höhlen, seinem frischen Apfelsaft vorbei. Fast immer begleitet vom Rauschen der Kali Gandaki. Der Fluss hat wirklich Ähnlichkeit mit ihr, der fressenden Gottheit, die sich mit Menschenschädeln schmückt. Wild umschäumt sie, die Kali Gandaki die in ihr liegenden Felsbrocken. Hat sie an den Felsfundamenten gefressen um Beute zu machen? Wer weiß das schon, wer kennt sich mit diesen alten Energien aus. Ihr rauschender Gesang begleitet uns seit Tagen. Wir schrauben uns die steilen und staubigen Hänge hoch. Immer wieder Kehrtwenden. Immer wieder Ausblicke auf die leuchtenden weißen Riesen. Jedesmal zu Herzen gehend. Dann ändert sich die Landschaft. Wald. Grün. Fichten, Kiefern. Dazwischen Bambus und Rotahorn. Blühende japanisch-nepalesische Kirschen. Es duftet nach Kiefern. Tief unter uns rauscht die Kali. Laut und wild. Dann Ghasa. Klein. Ein paar Steinhäuser, Gästehäuser. Ossi und Santosh gehen rein und kommen sofort zurück. Dann Stop. Alles ausladen. Weiter geht es nicht mit dem Auto. Santosh, Ossi und Dawa Sherpa gehen zum letzten Hotel am Ort. Ich setze mich ins leere Taxi. Der Fahrer hält ein Pläuschchen. Vor mir eine mit Sträuchern und schmalen Wasserrinnen durchzogene Wiese. Wasserbüffel grasen hier zwischen den dicken Gesteinsbrocken. Sie sehen so speziell aus mit ihrer schwarzen Haut. Sie haben nur ganz wenig Haare und wo ihr Schwanz hinreicht, der ständig in Bewegung ist der Mücken wegen, sind sie ganz blank gescheuert. Sie grasen vor sich hin, reiben ihre Köpfe aneinander, schieben sich auch schon mal zur Seite aber so friedlich. Sie passen in diese Landschaft. Sie wirken so gelassen. So einverstanden mit dem was um sie herum ist. Da kommen die drei zurück. Palaver. Alles wieder einpacken. Der Polizist hat die Erlaubnis gegeben uns zum Gästehaus zu fahren. Wir sitzen im Hof zwischen Blumen, unser Zimmer ist supersauber, der Waschraum ebenso. Das Rauschen der Kali ganz nah. Wir gehen zu ihr. Ich blase ihr einen Gruß. Ach ist das schön hier. Enge Schlucht. Viel Wald. Vogelgesang. Der Tee, das Essen schmeckt gut. Uns geht’s gut. Dann Lindi von Australien. Sie hat mit einem befreundeten Ehepaar die graoße Runde über den Pass und Muktinath gemacht. Die Freunde haben sich verletzt, wurden ausgeflogen und sie marschiert mit ihrem Gepäck allein weiter. Ohne Führer, ohne Träger. Sie ist ungefähr Fünfzig. Santosh, wir alle bewundern ihre Kraft, ihren Mut. Dann Maria und Nick. Auch sie kommen vom Pass. Sie sind mit Fernrohren ausgerüstet. Sie beobachten die heimischen Vögel. Sie ist Griechin, er Engländer. Sie wollen Ende des Jahres heiraten. Sie katholisch und er Buddhist, na Prost, sagt ihre Familie und sträubt sich gegen den netten Kerl. Ich ahbe die Schnauze so voll von diesem ganzen religiösen Scheiß. Menschen, die nicht dem gleichen Glauben angehören, werden niedergeschmettert. Mal direkt, mal ganz subtil. Hier in Nepal läuft so viel im Gleichklang nebeneinander. Buddhisten haben Schreine mit Hindu-Gottheiten in ihren Heiligtümern. Ich bin so froh, dass Ossi und ich den Christenpott (das ist kein Druckfehler, ich meine wirklich den engen Pott mit all seinen Ein- und Abgrenzungen und seinem Totalitätsanspruch) irgendwann verlassen haben. Einfach rausgesprungen sind – um nichts oder endlich alles zu sein. Wir sitzen beieinander und sprechen über Gott und die Welt, über Schamanen und Trancearbeit, über Materie und das morphogenetische Feld, über Tod und Leben. Der Mond kommt hervor und wir gehen ins Bett.