Vielleicht Freitag, der 13.

Freitag, der 13. – mein Glückstag, der Tag, den ich mir ausgesucht habe um mich wieder einmal in dieser Welt zu zeigen. Die tiefgehendste Erfahrung hat mir dieser Tag beschert. Um neun Uhr sind Ossi und ich mit Ang Kami, unserem Führer losgegangen. Peter hat ihn vor Jahren in einem Mt. Everest-Camp gefunden. Ein schmales kleines Bürschchen. Ohne Schuhe, ohne Jacke, ohne Schulausbildung, geboren in einem Everest-Dorf. Unser Ziel ist Changu Narayan, eines der wichtigsten Tempel im Kathmandu-Tal. Ein Stein mit eingemeißelten Sanskrit-Versen ist das älteste Schriftstück im KTM-Tal und ist aus dem Jahr 464. Wenn ich nicht alles falsch verstanden habe ist der Tempel selbst aus dem dritten Jahrhundert. Fast alle Vishnu-Darstellungen sind aus dem siebten Jahrhundert. Von Nagarkot aus fahren wir mit dem Bus ins Tal. Ich würde euch so gern hier im Bus haben. Über eine kurvenreiche Straße geht es hinunter, hinunter, hinunter. Terrassenfelder, dichter Wald, blauer Himmel – und die Sonne natürlich. Irgendwo steigen wir aus und dann geht’s wieder hoch. Ich finde mein eigenes Tempo. Denke nicht mehr. Atme ein und aus und: OM mani padme hum ist mein Begleiter. Ein nasses Tuch um meinen Kopf gebunden zottel ich unentwegt vor mich hin, zwischendurch gibt Ossi mir zu trinken. Die Luft riecht nach Kiefern. Sie wechseln sich mit Rhododendronbäumen ab und immerzu geht’s hoch, zwischendurch immer wieder mal ein grades Stück. Ungefähr eindreiviertel Stunde. Dann, welch unbeschreiblicher Genuss: Eine Tasse Masalatee. Den Tempel haben wir jetzt schon vor Augen. Mit neuem Schwung Vishnu, dem Erhalter des Universums, entgegen. Das Dorf, älter noch als der Tempel, ist wunderschön und trägt den Tempel fast auf seinen Schultern. Vor dem Eingang will ich Blumen kaufen, nur Hindus geben das als Opfergabe an die Gottheit, meint Ang Kami – na und ich eben. Ganesh bekommt als erster etwas. Wir ziehen unsere Runde. Wie ich so bin, streife ich meine Sandalen ab und stelle mich in die Reihe der Anbeter. Als ich meinen Fuß über die Schwelle setze, wird der Priester allergisch, nonono, is only for hindis und scheucht mich weg. Na, dann nicht. Ang Kami hat meine Gaben getragen. So kommt mein Geschenk doch noch in den Tempel. Er bringt mir den Rest und von der roten Paste streicht er etwas auf meine Stirn. Von Schrein zu Schrein verteile ich die restlichen Blüten und dann: Dreimal Vishnu auf Garuda, seinem Fluggefährt. Ich beuge mich, lege alle Blüten ab und … Ich spüre Ang Kamis Hand an meinem Arm, habe keine Kraft ihn wegzuschieben. ES durchströmt mich, die Conch ist da … die vielen Touristen? Die vielen Inder? Ich denke, ich höre, ich sehe – nichts mehr. Irgendwann sehe ich Steine unter meinen Händen. Wo bin ich? Was sind das für Steine unter meinen Händen? Ich war weg, ich war weg, sind die einzigen Worte in mir. Ich rühre mich. Stammel zu Ossi, der sofort neben mir ist: weg, bring mich weg. Ich bin noch gar nicht da. Ich war nicht irgendwo. Ich war nicht in Trance. Ich war nicht mehr da! Nichts war mehr da! War es schön? War es schrecklich? Ich kann es nicht sagen. Es war NICHT. Keine Erinnerung, nichts. Ich war weg. Nicht existent. Ang Kami hat ein Taxi bestellt und dankbar lasse ich mich zurückfahren. Peter wartet, hat für Tee und Lunch gesorgt. Und ich sitze hier, mit einer hotwaterbuddle auf meinem Bauch und versuche euch die Erfahrung von Freitag, dem 13. mitzuteilen. What a day.