Sechs Uhr früh. Wir haben über dem Fluss Kali Gandaki in einem Holzhaus mit viel Glas geschlafen. Breakfast mit allem was dazu gehört wartet auf uns und ich blase der gerade über dem Nilgiri (6950) aufgehenden Sonne meinen Gruß entgegen. Der Nilgiri erscheint so nah, als könnte ich ihn anfassen, aber er ist ungefähr 40-50 km Luftlinie entfernt. Dann geht’s los. Immerzu bergauf, Zickzackstraße. Ossi wird von den Boys zurückgepfiffen. Ich stehe da und lache: Ihr verarscht mich, sage ich auf Deutsch, da kann doch kein Mensch gehen. Nicht mal Ziegen kommen darauf – aber die Burschen meinen es tatsächlich ernst. Die Straße ist steil aber gangbar und wir? Wir müssen heute 1200 Höhenmeter überwinden. Muktinath mit seinen 108 Quellen wartet auf uns. Es ist das wichtigste Hindu-Heiligtum überhaupt. Ich freue mich schon sehr darauf, mich unter jeden Ausfluss zu stellen. Schritt für Schritt geht’s dem Ziel entgegen: Om Mani Padme Hum. Der Wind pfeift und heult durch die Schlucht. Wirbelt feinen Staub auf. Gegenüber die Wüstenberge Mustangs – ich liebe diese karge Landschaft. Warum? Was ist schön daran? Nichts uns doch alles. Diese wilde Kargheit, dieses Heulen des Windes öffnet mein Herz, berührt mich in meinem Innersten. Stehenbleiben, luftholen, verschnaufen, weiter. Om Mani Padme Hum … Dann: Kennst du mich noch? Immer wieder. Sanft. Leise. Laut. Fordernd. Ich frage Santosh: Was heißt ja auf Nepali? Nicht lol,lol, sondern JA! Ich stehe und brülle in den Wind mein HOO hinein. Ja, ich kenne dich. Ich mag dein Singen und Pfeifen. Ich kenne dich, du alter Freund. Und dann packt er mich, tanzt um mich herum, schüttelt mich. Santosh und Dawa halten mich beide fest. Ich sehe mich die Schlucht herunterfliegen. Was für ein Tanz – und weiter geht’s. Immer steil bergauf. Jesusmariaundjosef, was mache ich mit mir? Nicht denken. Blos nicht. Om … Hut über die Augen ziehen und weiter. Ich will nach Muktinath, ich will!